In meinen früheren beruflichen Stationen – von der Rezeption über das Sales Management bis hin zur Teamleitung – war ich täglich mit stressigen Arbeitszeiten, Schichtarbeit und Überstunden konfrontiert. Rückenschmerzen, flacher Atem und ständige innere Anspannung prägten meinen Alltag, begleitet von einem Gefühl, nie genug geleistet zu haben. Statt meine Fortschritte zu sehen, fokussierte ich mich auf das, was fehlte. Erst durch konsequentes Mentaltraining lernte ich, diesen Kreislauf zu durchbrechen, im Moment zu leben und meine innere Zufriedenheit zu steigern.
Unsere Erfahrungen prägen uns – und beeinflussen, wie wir auf Herausforderungen reagieren. Doch jeder kann lernen, hinderliche Muster zu erkennen und zu ändern. In meiner Praxis begleite ich Klienten auf diesem Weg. Das Ziel ist es, Blockaden zu lösen und Potenziale freizulegen. Der Moment, in dem meine Coachees ein erleichtertes Lachen zeigen und neue Energie spüren, ist für mich das schönste Geschenk.
Ein zentrales Thema meiner Arbeit ist Burnout. Die Ausfälle durch Erschöpfung nehmen leider stetig zu, doch Präventionsmassnahmen werden oft vermieden – zu gross ist die Angst vor Stigmatisierung. Der Gang zum psychologischen Dienst wird aus Furcht, als «Sonderfall» abgestempelt zu werden, oft gescheut. Dabei sind wir Teil eines Systems; psychische Erkrankungen sind keine Einzelfälle.
Einige Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit:
❱ Burn-out ist laut WHO arbeitsbedingt.
❱ 60 Prozent der Fehlzeiten am Arbeitsplatz gehen auf psychische Erkrankungen zurück, wie eine Studie der NZZ zeigt.
❱ Ein Burnout-Fall dauert im Schnitt 18 Monate, die Rückkehr in den alten Job bleibt oft schwer.
❱ Viele Führungskräfte sind unsicher im Umgang mit betroffenen Mitarbeitenden.
Einen wirkungsvollen Ansatz bieten die Ensa-Kurse der Pro Mente Sana, die 2019 in der Schweiz eingeführt wurden. Als Ensa-Ersthelferin sehe ich, wie wertvoll solche Schulungen für den Alltag sind. Sie bieten Einblick in Krankheitsbilder und vermitteln durch Rollenspiele, wie man Kolleginnen und Kollegen in schwierigen Situationen anspricht. Solche Kurse schaffen ein Bewusstsein für die eigene mentale Gesundheit und stärken die Achtsamkeit gegenüber anderen.
Im Vergleich zu reinen Resilienztrainings, die oft zusätzlichen Druck erzeugen, fördern Ensa-Kurse echte Offenheit und Akzeptanz. Wenn Führungskräfte und Mitarbeitende diese Prinzipien in ihre Werte integrieren, wird niemand mehr mit seinen Problemen alleingelassen. Ein gesunder Umgang mit psychischen Belastungen ist kein Luxus, sondern die Basis für eine stabile, wertschätzende Arbeitsumgebung.
Mentales Stromsparen und die Bereitschaft, hinzusehen und zu handeln, sind essenziell für die Erhaltung wertvoller Ressourcen. Beginnen wir jetzt.
▶ In dieser Rubrik äussern Vertreter aus dem Gesundheitswesen ihre Meinung zu aktuellen Themen.
Michaela Pape, Mental-Coach/Trainerin und Erwachsenenbildnerin, www.mentalstarksein.ch